Sensibilisierung & Selbst-Entwicklung – Cheneresi Mantra

10.12.2023

Das wertvollste Instrument einer Therapeutin / Beraterin? 

In der Ausbildung in intergrativer Körperpsychotherapie (Beratungslehrgang) nach IBP, wird in intensiven Gruppenseminaren und Intervisionsgruppen gelernt. In Lehrberatungssitzungen werden die Reflektion und Integration des Gelernten, sowie die Veränderung des Selbst gefördert. Später unterstützen Lehrsupervisionsgespräche mit ausgebildeten Therapiepersonen, oder Beraterinnen die Umsetzung in unsere professionelle Arbeit. Wer auf die eigenen Gefühle achten kann erhält Kostbares für sich, für den Berufskontext und in der Arbeit mit Menschen wichtiges Arbeitsmaterial. 


Wie hat sich unser Selbst entwickelt und was nehmen wir dabei wahr?

Irvin D. Yalom schreibt in seinem Buch, «The Gift of Therapy» – «Der Panama Hut, oder was eine gute Therapeutperson ausmacht» – dass das wertvollste Instrument einer Therapeutin / Beratungsperson das eigene Selbst ist. Eine aktive Therapeutin, Beraterin ist in ständiger Entwicklung, steigert kontinuierlich ihre Selbsterkenntnis und ihre Bewusstheit. Wie können Menschen in ihrer Ergründung psychischer und existenzieller Strukturen angeleitet werden, ohne sich dabei selbst zu ergründen? Wie kann die Sicht der zwischenmenschlichen Beziehungen einer Klientperson erweitert werden, ohne die eigenen Verhaltensweisen zu überprüfen?

Eine Therapeutin, ein Therapeut muss mit ihrer eigenen Schattenseite vertraut sein, um sich in alle menschlichen Wünsche und Dunkelheit einfühlen zu können, schreibt Yalom. Eine persönliche Therapieerfahrung erlaubt es, die vielen Aspekte von therapeutischen Prozessen aus Sicht der Klientperson zu erleben. Es ermöglicht die Erfahrung in eine Welt von Gefühlen, Körperwahrnehmungen und Gedanken zu kommen, wie sie es vielleicht Ratsuchende erleben. Das Erfahren daraus wieder an Land gespühlt zu werden und mit Flut und Ebbe, den Gezeiten der menschlichen Existenz in Berührung zu kommen.

Wir müssen unsere Bereitschaft demonstrieren, in eine professionelle Beziehung mit den Klientpersonen zu treten. Wir müssen Expertin und Expertmenschen darin werden, die beste Quelle über unsere Klientpersonen und aufsuchenden Menschen zu finden: unsere eigenen Gefühle. Wir müssen lernen unsere eigenen neurotischen Punkte zu bearbeiten, lernen Rückmeldungen zu akzeptieren, unsere eigenen blinden Flecken aufspüren und sich selber so zu sehen, wie andere einen sehen. Unsere Wirkung auf andere einschätzen und ein präzises Feedback geben.

In vielen Ausbildungen ist die eigene Therapie Teil der Selbstentwicklung und Teil des Programms. Die Selbsterforschung ist ein guter Anfang, denn dieser Prozess dauert ein Leben lang. Yalom rät, dies in vielen verschiedenen Lebensstadien zu erfahren. Also auch verschiedene Ansätze auszuprobieren. Er meint « Es gibt keinen besseren Weg, eine Psychotherapie kennen zu lernen, als sich ihr als Patientin, Patient zu unterziehen». Mit jedem neuen Lebensabschnitt, jeder neue Phase des Lebens werden neue Fragestellungen wichtig. Deshalb macht es Sinn, in diesen verschiedenen Phasen des Lebens sich dem eigenen Selbst und der eigenen Entwicklung zu widmen.

Die Beratung von Menschen bietet uns die Möglichkeit zu Transzendenz. Bei schmerzlichen Erfahrungen unserer Ratsuchenden, bei Scham, Verletzlichkeit, Ängsten, Sehnsüchten Verbundenheit und Mitgefühl zu spüren.

Die Kompetenz und Fähigkeit für Einfühlungsvermögen: Menschen, die eine Beratung aufsuchen profitieren enorm, dass sie richtig gesehen und richtig verstanden werden. Es ist daher wichtig, dass wir verstehen, wie sie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erleben. Deshalb trainieren wir die eigene Erfahrung. 

Wir lernen in der Selbsterfahrung und eigenen Therapie, was wir selber unseren Klientpersonen mitgeben können.

Wir erforschen und freuen uns über Entdeckungen, welche aus einzelnen Fragmenten plötzlich ein Ganzes bilden. Wir sind Geburtshelfende von etwas Neuem. Wir beobachten, wie sich Menschen von Alten, sinnlosen Verhaltensmustern, einengenden Anteilen lösen und Lebensfreude entwickeln. Wie Menschen Lebendigkeit spüren und Verbundenheit. Wie sie lernen zu lieben und diese Liebe anderen weitergeben. Wie sie sich ihren Kräften und Stärken annähern.

Wie kann ich Mitgefühl leben? In dem ich es lerne. Wir lernen es am Besten, in dem wir uns selber gegenüber Mitgefühl und Verbundenheit üben und spüren. Ein Gefühl für uns selbst. Ein warmes Herz, das Liebe ausstrahlt.

Eine liebevolle Umarmung unserer eigenen Geschichte, unserer verletzten Anteile, ein aufmunterndes Wort für unsere Existenz, Unterstützung für unsere Hoffnungen Träume und Wünsche. Ein Blick des Trostes für Ungetröstetes.


Grosse Weltreligionen und Philosphien können uns für Mitgefühl Antworten geben. Vielleicht ist es eine mitfühlende Umgebung, mitfühlende Eltern, Schwestern, Onkel, oder Freunde.

Das Bedürfnis nach Weltfrieden, einem sicheren Ort, Verbundenheit wird stärker, je mehr Unsicherheit, Krieg und Trennung in der Welt wahrnehmbar ist. Das Bedürfnis nach innerem Frieden hat auch bei Menschen im Westen zugenommen. Einer der ersten tibetischen Lamas, der sich vor vielen Jahrzehnten im Westen niedergelassen hat, teilte sein Wissen und seine Erfahrungen, um Menschen das Tor zur tibetischen Meditation zu öffnen.
«Die Annahme, dass Ursachen unserer Probleme und Unzufriedenheit von Aussen kommen, kann täuschen. Wenn wir den Blick nach Innen führen, können wir lernen inneren Frieden erfahren und diesen auch in Form eines friedvollen Geistes in unserer angenehmen Atmosphäre verbreiten.»

Einen friedvollen Geist, guten Kontakt mit sich selbst und innere Ruhe können Mantras bringen. Mantras sind kraftvolle Silben, denen eine grosse Heilkraft nachgesagt wird. Ihr Ursprung haben sie in der über 4’000 Jahre alten vedischen Kultur. Ein Liebe-Mitgefühl Mantra ist das Cheneresi.

Mitgefühl, dass alle Lebewesen frei von Leid sein mögen. Liebe, die Liebe zu spüren, dass alle Lebewesen Glück erfahren mögen.
Die Einteilung, dass Mitmenschen in Freund, Feind, oder Neutrum sei nicht von sich aus geschehen. Äussere Einflüsse und Umstände hätten dazu beigetragen. Sie sind aber auch in stetem Wandel und in Bewegung. So kann ein Freund von heute Feind werden. Eine heute neutrale Person kann in nächster Zukunft Lebenspartnerin sein. 

Die Übung zur universellen Liebe, egal was für eine soziale Stellung, Hautfarbe, Freund, Feind, Glauben ein Mensch hat, sie umfasst Alle. 

Nepal Flowers ©Anna Illi

Quelle: Irvin D. Yalom, Der Panama-Hut, oder Was einen guten Therapeuten ausmacht – The Gift of Therapy
Lama Dagsay Tulku, Tibetische Mantras, 2002